
"Man hat die Linie vor sich, ganz nahe, man liest sie und sieht eine bestimmte Form. Sie ist wie eine Partitur, geschrieben von der Natur, der Erosion, von Wasser und Wind. Die Elemente haben Griffe in den Fels geformt, aus denen eine Boulderlinie werden kann."
Was fasziniert dich am Bouldern?
Ich finde dieses Gelände einfach großartig. Das Erschließen eines Boulders hat einerseits eine kreative Seite, wenn wir nach einer Linie suchen. Vor allem aber öffnen wir uns unserem Umfeld, um uns einer Form anzupassen, die von der Natur vorgegeben ist. Dieser Aspekt fasziniert mich und ich spüre ihn beim Bouldern noch intensiver als beim Routenklettern, weil hier der Zugang noch einfacher ist.
Man hat die Linie vor sich, ganz nahe, man liest sie und sieht eine bestimmte Form. Sie ist wie eine Partitur, geschrieben von der Natur, der Erosion, von Wasser und Wind. Die Elemente haben Griffe in den Fels geformt, aus denen eine Boulderlinie werden kann.
Was braucht es für eine gute Boulderlinie?
Eigentlich braucht es gar nichts. Ich glaube, dass die Linien schon da sind. Sie sind von der Natur vorgegeben, wir müssen sie nur entdecken. Es liegt an uns, ein Feingefühl dafür zu entwickeln und uns dieser Dimension zu öffnen.
In diesem Sinne glaube ich, dass das Klettern ein sehr gutes Mittel ist, um sich seiner Umgebung zu öffnen. Man lernt, zu erkennen. Viele Kletterer kommen aus einem städtischen Milieu. Durch das Klettern entdecken sie die Natur und die Umwelt. Ich finde, das ist einer der wichtigsten Aspekte unserer Tätigkeit. Wir sind nicht nur hier, um zu konsumieren und einen Sport auszuüben. Es geht vielmehr darum, einen Bezug zum Umfeld aufzubauen und einen respektvollen Umgang zu finden.
Welche Gesteinsarten sind besonders gut für das Bouldern geeignet?
Sehr alte Gesteinsarten sind in der Regel auch reich an Griffen, da sie mit der Zeit und vor allem durch die Erosion sehr stark strukturiert wurden. Bei jüngeren Felsen ist das nicht so. Felsen, wie etwa die in Südafrika, stammen aus der Zeit des Urkontinents Pangaea und gehören zu den ältesten der Welt. Die Erosion hat das Gestein wunderbar geformt. Ebenso in Norwegen, wo man äußerst alten Granit findet, der von der Erosion stark bearbeitet wurde und deshalb viele interessante Griffe aufweist. Auch in Hueco Tanks ist das Gestein sehr alt. Der Fels und sein Alter sind extrem wichtig für die Qualität der Kletterei.
Welche anderen Elemente sind wichtig, um ein Bouldergebiet attraktiv zu machen?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Jedes Gebiet hat seine Eigenheiten und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Ich glaube, man kommt zunächst in eine Region, weil man sich für die Blöcke oder das Klettern dort interessiert. Anfangs beachtet man vor allem den Fels, aber mit der Zeit entwickelt man einen tieferen Bezug zur Umgebung. Als Kletterer lernt man auf diese Art eine Region richtig kennen, und dieser Aspekt ist mir besonders wichtig.
Früher war ich vielleicht mehr auf das Klettern an sich fokussiert. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, mich für die Schönheit dieser Orte zu öffnen. Es sind zumeist herrliche Gebiete, alle unterschiedlich mit ihrem ganz eigenen Charme. Ob es nun Fontainebleau oder die Grampians sind, die Orte sind fantastisch.
Weißt du noch, wie viele Boulder du erschlossen hast?
Einige tausend Boulder vielleicht, davon einige hundert richtig schwierige Probleme zwischen 8a und 8c. Aber ganz genau weiß ich es nicht und es ist mir auch nicht mehr so wichtig. Eine Zeit lang waren Zahlen für mich noch von Bedeutung, aber jetzt nicht mehr. Für mich zählt viel mehr die Qualität der ganzen Erfahrung.
Natürlich habe ich ein gutes Gefühl nach einem erfolgreichen Klettertag, wenn ich etwas Schweres geschafft und etwas erreicht habe. Aber das ist nicht das Hauptziel, wenn ich klettere. Und ich denke, genau deshalb gelingt es mir weiterhin. Weil klettern einfach großartig ist, aber es geht nicht nur um die Leistung. Andernfalls würde man ab einem gewissen Punkt damit aufhören müssen, weil man nicht ein Leben lang in bester Form klettern kann.
Was diese Aktivität enorm bereichert, ist die Berührung mit der Natur. Jeder Tag ist anders und kann dich vieles lehren. Auch wer nicht schwierige Grade klettert, kann etwas vom Klettern lernen.
Insgesamt denke ich, dass mein Bestreben im Klettern – auch wenn es vielleicht etwas anmaßend klingt – kein rein sportliches sondern ein künstlerisches ist.
Welche Boulder haben für dich eine besondere Bedeutung? Sind es die schwierigsten Projekte, an die du dich später erinnern wirst?
Nicht unbedingt. Es könnten natürlich die schwierigsten sein, weil viele davon wirklich schön sind. Die Ästhetik der Linie ist mir wichtig. Aber das, was mir in Erinnerung bleibt, ist der Flow. Der Flow des Kletterns. Wenn dieses Gefühl da ist, wenn alles vom Start bis zum Top ein Flow ist, dann ist es einfach großartig!
Es geht dann nicht um die Schwierigkeit, denn wenn du diese Welle spürst, ist es ein umwerfendes Gefühl. Es ist eine Erfahrung, die ich nur beim Klettern auf diese Art erlebe. Ich liebe den Flow einer richtig schönen Kletterlinie.