
"Am Anfang ist da nur ein Fels, ein beliebiges Stück Erde. Wenn es uns gelingt, damit zu interagieren, wird es beinahe zu einem Kunstwerk. Mit den richtigen Leuten und der richtigen Einstellung können wir unsere Umgebung selbst gestalten und verändern."
Was bedeutet das Klettern für dich?
Das Klettern ist für mich sehr viel mehr als nur ein Sport. Mein Leben war schon immer in vielerlei Hinsicht mit dem Klettern verbunden, schon seit meiner Kindheit. Mit dem Erwachsenwerden bin ich auch als Kletterer gewachsen.
Klettern ist ein Sport und wir können unsere Leistung mit anderen messen, aber es geht dabei auch um eine persönliche Reise. Beim Klettern kann ich ganz ich selbst sein und fühle mich völlig frei, mein eigenes Ding zu machen. Neben Erstbegehungen hat mich auch die Entdeckung neuer Felsen und das Einbohren neuer Routen immer schon fasziniert.
Als ich angefangen habe, neue Routen zu erschließen, anstatt sie nur zu wiederholen, habe ich als Kletterer einen großen Schritt nach vorne gemacht. Allen, die mich an das Klettern herangeführt haben, bin ich natürlich sehr dankbar. Aber als ich angefangen habe, auf eigene Faust zu klettern, neue Felsen zu erkunden und neue Routen zu erschließen, habe ich meine eigene Vision für das Klettern entwickelt. Das empfand ich als unglaublich befreiend.
Wann und wo hast du angefangen, neue Routen zu erschließen?
Erstbegehungen habe ich schon von Anfang an gemacht. Beim Bouldern mit Freunden kam es oft zu spontanen Entdeckungen. Wir bürsteten den Felsen ein wenig ab, fingen an zu klettern und richteten neue Routen ein. Später habe ich das auch an anderen Orten wie Hueco Tanks und Utah gemacht.
Der nächste große Schritt war dann, nach demselben Prinzip neue Routen für das Seilklettern zu erschließen. Das Einbohren einer neuen Linie ist sehr viel komplizierter, denn der Arbeitsaufwand ist deutlich höher und auch die Logistik will geplant sein. Jeder Bohrhaken muss einzeln fixiert werden. Diese Erfahrung hat mir eine ganz neue Welt eröffnet. Eine neue Kletterroute einzurichten und damit etwas zu schaffen, das anderen eine Freude bereitet, ist unglaublich befriedigend. Man schafft etwas, das jahrhundertelang besteht und an dem sich jemand immer wieder aufs Neue ausprobieren kann.
Die Entstehung einer Route ist ein spannender Prozess: Am Anfang ist da nur ein Fels, ein beliebiges Stück Erde. Wenn es uns gelingt, damit zu interagieren, wird es beinahe zu einem Kunstwerk. Das Klettern kann sich von einer Sportart wirklich in eine Kunstform verwandeln – das finde ich faszinierend. Für mich sind diese Routen und Boulder wie eine Art Skulptur.
Ich denke, ich konnte den Klettersport durch die Routen, die ich geschaffen habe, nachhaltig prägen. Ich habe immer versucht, schöne und spektakuläre Routen an besonderen Orten zu finden. Außergewöhnliche Locations gehören für mich zur Faszination des Kletterns dazu.
Was macht ein Klettergebiet besonders?
Grundsätzlich suche ich nach schönen Orten mit einem tollen Gestein, die mich irgendwie inspirieren.
Andererseits hat auch jeder Ort für sich etwas Einzigartiges. Ich hatte das Glück, an die schönsten Felswände der Welt zu reisen. Da steigen die Ansprüche schnell nach oben. Aber in Santa Cruz, wo ich herkomme, hatten wir zum Beispiel eine kleine Boulderwand am Strand. Das war bei weitem keine Weltklasse-Destination, zu der man unbedingt hinfahren musste. Es gab da wirklich nur diese kleine Wand mit ein paar Griffen, das war’s. Da wir aber nichts Anderes hatten, wussten wir den Ort wirklich zu schätzen. Und ich denke durch unsere Einstellung machten wir ihn zu unserer eigenen Weltklasse-Destination.
Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass wir unser Umfeld allein durch unsere Einstellung wirklich verändern können. Man kann sich am schönsten Ort der Welt befinden und ihn überhaupt nicht zu schätzen wissen. Umgekehrt können wir mit den richtigen Leuten und der richtigen Einstellung jeden beliebigen Ort zum besten Ort der Welt machen. Unsere Einstellung spielt eine unglaublich große Rolle.
Im Deutschen spricht man von Kletter-Gärten.
Einen Ort zum Klettern als „Garten“ zu bezeichnen finde ich toll und durchaus passend. Denn die Orte, an denen wir klettern, sind immer auch Begegnungsstätten. In Oliana zum Beispiel kann man wunderbar beobachten, wie sich die Menschen treffen, um das Klettern und die Natur gemeinsam mit ihrer Familie und Freunden zu erleben.
Welcher Ort hat dich persönlich am meisten inspiriert?
Es gibt unzählig viele Orte, die mich inspirieren. Angel Falls ist bestimmt eines der spektakulärsten Gebiete, die ich je gesehen habe. Und dann Mallorca – mit Psicobloc über dem Meer – ist sicher der Ort, auf den ich mich jedes Jahr am meisten freue.
Aber wie gesagt: Ich bin in der Hinsicht ziemlich verwöhnt – nicht jeder hat die Möglichkeit, solche exotischen Orte kennenzulernen. In Wahrheit liegen die schönsten Plätze oft direkt vor unserer Haustür. Das ist zu einem großen Teil einfach Einstellungssache.
Wie siehst du die Zukunft des Kletterns? Denkst du, dass beliebte Gebiete überlaufen und verschmutzt sein werden?
Die Klettergebiete werden voller werden, keine Frage. Das hat eine gute und eine schlechte Seite. Einerseits erleben wir gerade eine spannende Zeit: Der Klettersport wächst und entwickelt sich enorm weiter. Immer mehr Menschen entdecken diesen großartigen Sport, der ihr Leben auf dieselbe wunderbare Art verändern kann wie er auch unser Leben verändert hat. Andererseits werden bestimmte Gebiete dadurch immer voller und die durch das Felsklettern bedingte Umweltbelastung wird sich verstärken. Manche stehen diesem Wachstum kritisch gegenüber und sind besorgt, dass irgendwann alles total überlaufen sein wird. Aber ich denke, wir als Community müssen hier gemeinsam eine Lösung finden, die Menschen zum respektvollen Umgang zu erziehen.
Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich ein Anfänger war. Als ich an den Felsen kam, wurde ich freundlich aufgenommen. Das war mit ein Grund, warum mich das Klettern so begeistert hat, und dieses Gefühl möchte ich auch weiterhin an andere weitergeben. Die relativ überschaubare Größe der Kletter-Community ist etwas Einzigartiges. Wir sind wie eine Familie. Das müssen wir uns erhalten. Wir müssen uns daran erinnern, dass wir alle Kletterer sind und wo unsere Wurzeln liegen. Und dann müssen wir Schutzmaßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass wir die Umwelt nicht belasten und respektvoll miteinander umgehen.
Das Klettererlebnis sollte für alle gleich sein. Egal, ob man eine 9b oder 5c probiert – Klettern ist der Versuch, an seine Grenzen zu gehen. Es geht darum, sein vertrautes Terrain zu verlassen und etwas zu versuchen, das man für sich selbst nicht für möglich hält, um dann – durch den Prozess – zu erfahren, dass es doch möglich ist. Die Erkenntnis, dass man mehr kann als man sich selbst zutraut. Das ist eine Erfahrung, die jeden Menschen berührt. Im Wesentlichen geht es beim Klettern um nichts Anderes. In erster Linie zählt die Erfahrung und nicht die Tatsache, dass man eine 9b klettert. Deshalb sollte jeder, der nach diesem Prinzip klettert, als Kletterer anerkannt und genauso respektvoll behandelt werden wie ich oder jemand anderes.
Was würdest du einem jungen Kletterer empfehlen, der anfangen möchte, neue Routen einzubohren?
Manche Leute sind der Meinung, dass es mehr aktive Kletterer geben sollte, die neue Routen erschließen. Wir als Community sollten denjenigen, die diese Arbeit machen, dankbar sein. Ich denke aber nicht, dass jeder einbohren sollte, denn es erfordert sehr viel Erfahrung. Macht man es falsch, kann man eine Felswand wirklich verunstalten und die Sicherheit anderer gefährden. Wer klettert, vertraut sein Leben den Haken an, die andere Erschließer eingebohrt haben.
Wenn ein Kletterer eine neue Route einrichten möchte, würde ich ihm empfehlen, sich zur Unterstützung an einen erfahrenen Kletterer zu wenden. Beim Erschließen geht es nicht um Quantität, sondern um die Qualität der Route. Zwischen Kunstwerk und Verunstaltung verläuft nur eine feine Linie. Beim Einbohren ist ein gutes Urteilsvermögen gefragt – und das entwickelt man mit der Erfahrung.
Wer erst seit wenigen Jahren klettert sollte das Einbohren lieber anderen überlassen und sich stattdessen auf die Verbesserung seiner Technik konzentrieren, an verschiedenen Orte klettern und lernen, was eine gute Route ausmacht. Aus der Perspektive kann man dann besser einschätzen, wie man das Einbohren richtigmacht.
Es ist ein interessantes Thema, wofür es derzeit noch keine Regulierung gibt.
Sollte es die denn geben?
Ich denke ein gewisses Maß an Regulierung wäre keine schlechte Idee. Eine Art Zertifizierung fürs Einbohren fände ich durchaus interessant. Aber das ist eine heikle Angelegenheit. Wenn man sich die ganzen Regulierungen im Bauwesen ansieht und was dort alles von Ingenieuren genehmigt werden muss, bin ich ziemlich sicher, dass bei unseren Kletterrouten ein anderer Maßstab angewandt werden müsste. Das heißt, man müsste hier ein bestimmtes Mittelmaß finden.